Will der Arbeitgeber ein Arbeitsverhältnis kündigen, für das wegen einer Betriebszugehörigkeit von über sechs Monaten und einer Betriebsgröße von mehr als zehn Arbeitnehmern im Sinne des  Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) allgemeiner Kündigungsschutz besteht, muss die Kündigung begründet werden.

Nach Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) erwirbt auch ein langfristig erkrankter Arbeitnehmer einen Anspruch auf Erholungsurlaub. Daher ist auf Arbeitgeberseite verstärkt die Tendenz festzustellen, die Arbeitsverhältnisse von längerfristig arbeitsunfähigen Arbeitnehmern
personenbedingt zu beenden.

Laut BAG ist eine krankheitsbedingte Kündigung des Arbeitsverhältnisses nur dann sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber vor Kündigungsausspruch ein sogenanntes betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) durchgeführt hat. Im Ergebnis bedeutet dies für den Arbeitgeber, dass dieser nicht einfach aus einer lang dauernden Arbeitsunfähigkeit darauf schließen darf, dass der Arbeitnehmer nicht mehr eingesetzt werden kann. Der Arbeitgeber hat vielmehr in Zusammenarbeit mit dem Arbeitnehmer und gegebenenfalls unter Beteiligung dessen Arztes, des Betriebsarztes und der Schwerbehindertenvertretung zu klären, ob und wie die Arbeitsunfähigkeit überwunden und welche Leistungen und Hilfen zur Verfügung gestellt werden können, um die Einsatzmöglichkeiten für den Arbeitnehmer zu verbessern. In Einzelfällen kommt es vor, dass Arbeitnehmer die Beteiligung an einem betrieblichen Eingliederungsmanagement endgültig ablehnen, dann erwächst dem Arbeitgeber hieraus kein Nachteil.

In der Rechtsprechung relevant sind diejenigen Fälle, in denen Arbeitgeber ein betriebliches Eingliederungsmanagement pflichtwidrig unterlassen haben. In diesen Fällen ist die Kündigung zwar nicht per se unwirksam, die Darlegungslast des Arbeitgebers im Kündigungsschutzprozess erweitert sich allerdings. Er hat darzulegen, dass auch die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements nicht zum Erhalt des Arbeitsplatzes geführt hätte.

Das BAG hatte am 13.05.2015 einen Fall aus diesem Problemkreis zu entscheiden. Ein Arbeitgeber hatte geltend gemacht, zur Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements nicht verpflichtet gewesen zu sein, da dem Arbeitnehmer eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung zugesprochen worden war. Der Arbeitgeber ging daher davon aus, dass ein BEM kein positives Ergebnis erbracht hätte und die Nichtdurchführung daher unerheblich war.

Das BAG hat dieser Beurteilung des Arbeitgebers eine Absage erteilt. Im Ergebnis hat das BAG ausgeführt, dass auch bei Vorliegen eines befristeten Rentenbescheides nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden kann, dass ein betriebliches Eingliederungsmanagement erfolglos bleibt. Begründet wurde dies damit, dass eine Erwerbsminderung nicht per se mit Arbeitsunfähigkeit gleichzusetzen ist und es im Ergebnis dem Arbeitnehmer überlassen bleibt, ob dieser Rente wegen voller Erwerbsminderung oder eine Beschäftigungsmöglichkeit, eventuell in geringerem Umfang oder zu geänderten Bedingungen, in Anspruch nimmt.

Aufgrund der komplexen Rechtslage ist Arbeitnehmern und Arbeitgebern, bei denen eine krankheitsbedingte Kündigung wegen länger dauernder Arbeitsunfähigkeit vorliegt oder ausgesprochen werden soll, dringend zu raten, qualifizierte anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.