Besteht ein Arbeitsverhältnis mehr als 6 Monate und sind im Unternehmen mehr als zehn Arbeitnehmer im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) tätig, kann der Arbeitnehmer allgemeinen Kündigungsschutz für sich in Anspruch nehmen. In diesem Fall besteht die Möglichkeit, innerhalb einer Frist von 3 Wochen ab Kündigungszugang Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht zu erheben. Das Arbeitsgericht wird dann die Wirksamkeit der Arbeitsvertragskündigung überprüfen. Im Falle einer betriebsbedingten Kündigung kann eine Kündigung nur wirksam, also sozial gerechtfertigt, sein, wenn die Beschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer endgültig entfällt. Diese Frage haben Arbeitsgerichte regelmäßig in Konstellationen zu beurteilen, in denen seitens des Arbeitgebers Maßnahmen des Outsourcing (also der Verlagerung einzelner Tätigkeiten oder Funktionen auf andere Unternehmen) betroffen sind. Soll die soziale Rechtfertigung einer Arbeitsvertragskündigung damit begründet werden, dass aufgrund einer Outsourcingmaßnahme die Beschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer entfällt, stellt sich die Frage, ob tatsächlich von einem Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit auszugehen ist, wenn die vom Arbeitnehmer ausgeübte Aufgabe auf ein Drittunternehmen übertragen wird, das dem gleichen Konzern angehört wie der Arbeitgeber.

Hierzu ist grundsätzlich festzustellen, dass die Verlagerung von Aufgaben auf anderweitige Unternehmen (sofern kein Teilbetriebsübergang vorliegt) eine betriebsbedingte Kündigung rechtfertigen kann. In der Entscheidung vom 28.02.2023 hatte das Bundesarbeitsgericht (BAG) die Frage zu klären, ob bei einem konzernangehörigen Drittunternehmen zugunsten des Arbeitnehmers strengere Maßstäbe anzulegen sind. Das BAG hat dies im Ergebnis verneint und betont, dass es dabei verbleibt, dass die unternehmerische Entscheidung zur Umstrukturierung des Aufgabenbereichs des Arbeitnehmers nur in sehr eingeschränktem Umfang überprüfbar und ein Abweichen von diesem Grundsatz auch bei Entscheidungen innerhalb eines Konzerns nicht angezeigt ist. Begründet wird dies damit, dass das KSchG lediglich Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten im Betrieb bzw. im Unternehmen berücksichtigt und hierbei nicht auf den Konzern abstellt. Auch wenn das BAG anerkennt, dass der Bestandsschutz des Arbeitsverhältnisses verfassungsrechtlich geschützt ist, findet dieser seine Grenze im Grundsatz der Freiheit der unternehmerischen Entscheidung. Das BAG hat betont, dass diese unternehmerische Entscheidung sich auch darauf beziehen kann, innerhalb eines Konzerns Aufgaben zu übertragen.

Bei einer beschlossenen und tatsächlich durchgeführten unternehmerischen Organisationsentscheidung spricht eine Vermutung dafür, dass diese nicht unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Erst wenn der Arbeitnehmer in der Lage ist, diese Vermutung zu widerlegen und eine Rechtsmissbräuchlichkeit dieser Entscheidung zur Überzeugung des Gerichts darzulegen, kann die Grenze der freien Unternehmerentscheidung überschritten sein.

Im Ergebnis hat das BAG sich in der zitierten Entscheidung mit überraschender Klarheit für die unternehmerische Entscheidungsfreiheit positioniert und klargestellt, dass die betriebliche Organisationsentscheidung weder objektiv „besser“ noch wirtschaftlich zwingend erforderlich sein muss, damit diese einer richterlichen Kontrolle entzogen ist. Im Ergebnis bedeutet dies, dass dann, wenn das anderweitige Konzernunternehmen selbstständig tätig und weder wirtschaftlich noch organisatorisch vom Ursprungsarbeitgeber abhängig ist, eine dort vorhandene Beschäftigungsmöglichkeit nicht zur Unwirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung führt. Konzernunternehmen sind damit nicht anders zu betrachten als anderweitige, konzernunabhängige Unternehmen. Diese bleiben bei der Beurteilung, ob eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit vorgelegen hätte und damit eine Kündigung vermeidbar gewesen wäre, unberücksichtigt. In Anbetracht der rechtlichen Komplexität derartiger Sachverhalte – insbesondere der Abgrenzung des bloßen Outsorcing einzelner Aufgaben zum Teilbetriebsübergang – und weiterer Argumente, mit denen die Sozialwidrigkeit einer Kündigung angegriffen werden kann, ist betroffenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu raten, sich in einer solchen Fallkonstellation qualifiziert anwaltlich beraten zu lassen.

Thomas Wöhrle
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht