Ist ein Arbeitnehmer länger als 6 Monate bei seinem Arbeitgeber beschäftigt und sind im Unternehmen mehr als zehn Arbeitnehmer im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) tätig, besteht für den Arbeitnehmer im Falle des Ausspruchs einer Arbeitgeberkündigung die Möglichkeit, innerhalb einer Frist von 3 Wochen ab Kündigungszugang Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht zu erheben. Das Arbeitsgericht wird die soziale Rechtfertigung, mithin die Wirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung, sodann überprüfen.

Ein zentraler Punkt bei dieser Prüfung ist im Falle des Ausspruchs einer betriebsbedingten Arbeitsvertragskündigung die sogenannte Sozialauswahl. Selbst wenn der Arbeitgeber darlegen kann, dass die Beschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer wegfällt, muss er bei der Auswahl der vergleichbaren Arbeitnehmer die Kriterien Dauer der Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung zutreffend gewichten. In Bezug auf das Kriterium Lebensalter gilt zwar, dass Arbeitnehmer mit zunehmendem Alter einen höheren sozialen Besitzstand erwerben. Dieser Grundsatz gilt allerdings nicht uneingeschränkt und kann bei Arbeitnehmern aus rentennahen Jahrgängen anderweitig zu beurteilen sein. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat bereits in der Entscheidung vom 27.04.2017 klargestellt, dass das Alter des Arbeitnehmers bei der Prüfung durch das Arbeitsgericht keinen Selbstzweck entfaltet, sondern als abstrakter Maßstab für die Beurteilung der Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt dient. Ein hohes Alter eines Arbeitnehmers führt damit nicht automatisch zu einer hohen sozialen Schutzwürdigkeit. In der betreffenden Entscheidung hat das BAG ausgeurteilt, dass dann, wenn der gekündigte Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Kündigung bereits Altersrente bezieht oder diese zeitnah beziehen kann, trotz hohen Alters nicht von einer höheren Schutzwürdigkeit im Verhältnis zu wesentlich jüngeren Arbeitnehmern ausgegangen werden kann. Das BAG argumentiert in diesem Zusammenhang damit, dass diesem Arbeitnehmer ein Ersatzeinkommen durch die Altersrente zeitnah zur Verfügung steht.

Eine weitere wesentliche Weichenstellung wird im Falle des Ausspruchs von betriebsbedingten Kündigungen dadurch bewirkt, dass nach herrschender Rechtsprechung des BAG eine Beendigungskündigung immer die ultima ratio des Arbeitgebers darstellen, also unvermeidlich sein muss. Dieser hat vor dem Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung immer zu prüfen, ob Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten bestehen, also (spätestens zum Ende der Kündigungsfrist) ein Arbeitsplatz zu den gleichen oder geänderten Beschäftigungsbedingungen vorhanden ist. Maßgeblich ist in diesem Zusammenhang, ob der betroffene Arbeitnehmer das Anforderungsprofil einer solchen freien Position im Unternehmen erfüllt. In diesem Zusammenhang wird regelmäßig diskutiert, ob und wie lange dem Arbeitgeber zugemutet werden kann, abzuwarten, bis der betreffende Arbeitnehmer hierfür erforderliche Zusatzqualifikationen (beispielsweise durch Umschulung oder Fortbildung) bis zum Ende der Kündigungsfrist oder in einer absehbaren Zeit darüber hinaus erwirbt. Eine solche Verpflichtung des Arbeitgebers besteht nicht uneingeschränkt. Zum einen muß die Erlangung der betreffenden Qualifikation in einer Frist, die sich abhängig von der Fallgestaltung mit drei bis sechs Monaten beziffert, möglich sein. Zum anderen muß geklärt sein, dass der Beschäftigung auf dem freien Arbeitsplatz keine anderweitigen Hürden entgegenstehen. Probleme entstehen dann, wenn für die Beschäftigung auf dem anderweitigen Arbeitsplatz eine behördliche Genehmigung oder Erlaubnis erforderlich ist. In der Entscheidung vom 27.07.2017 hat das BAG zu diesem Problemkreis entschieden, dass lediglich eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass der Arbeitnehmer bis zum Beendigungszeitpunkt über die erforderlichen behördlichen Genehmigungen verfügt, hierfür nicht ausreicht. Das BAG erwartet vielmehr, dass eine berechtigte Erwartung, also eine überwiegende Wahrscheinlichkeit besteht. Ansonsten gilt der betreffende Arbeitsplatz nicht als „frei“ im Sinne einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit.

Selbst wenn also feststeht, dass die Beschäftigungsmöglichkeit für den zu kündigenden Arbeitnehmer wegfällt und damit ein Grund für die betriebsbedingte Kündigung vorliegt, ist es noch ein weiter Weg bis zu einer gerichtfesten betriebsbedingten Kündigung. Die Fragen der zutreffenden Sozialauswahl sowie der anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit werfen Probleme auf, die trotz Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit zur Unwirksamkeit einer ausgesprochenen betriebsbedingten Kündigung führen können. Arbeitnehmern und Arbeitgebern ist daher anzuraten, sich im Zusammenhang mit betriebsbedingten Kündigungen qualifiziert anwaltlich beraten zu lassen.

Thomas Wöhrle
Fachanwalt für Arbeitsrecht