Sind in einem Betrieb mehr als zehn Arbeitnehmer im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) beschäftigt und besteht das Arbeitsverhältnis des betroffenen Arbeitnehmers länger als sechs Monate, muss eine krankheitsbedingte Kündigung sozial gerechtfertigt sein. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) nimmt hierbei eine Prüfung in drei Stufen vor. In einer ersten Stufe wird überprüft, ob eine negative Gesundheitsprognose vorliegt, also häufige Kurzerkrankungen in der Vergangenheit ein Indiz für eine künftige Entwicklung darstellen. Liegt eine negative Gesundheitsprognose vor, ist in einer zweiten Stufe zu prüfen, ob dies zu erheblichen Beeinträchtigungen betrieblicher Interessen führt. Davon ist dann auszugehen, wenn Entgeltfortzahlungskosten für einen Zeitraum von mehr als 6 Wochen pro Jahr zu erwarten sind. In einer dritten Stufe wird sodann überprüft, ob diese Beeinträchtigungen vom Arbeitgeber nicht mehr hingenommen werden müssen.

In der Entscheidung vom 25.04.2018 hat das BAG seine Rechtsprechung dahingehend bestätigt, dass als Referenzzeitraum für die negative Gesundheitsprognose (Stufe 1) ein Zeitraum von drei Jahren maßgeblich ist. Existiert ein Betriebs- oder Personalrat, ist auf die letzten drei Jahre vor Einleitung des Beteiligungsverfahrens abzustellen. Bei lang andauernden Arbeitsverhältnissen besteht oftmals die Problematik, dass Arbeitnehmer aufgrund der Betriebszugehörigkeit und/oder des Lebensalters tarifvertraglich nur noch außerordentlich gekündigt werden können. In einer Entscheidung vom 25.04.2018 hat das BAG geklärt, welche Anforderungen an die betrieblichen Beeinträchtigungen durch zu erwartende Entgeltfortzahlungskosten zu stellen sind, wenn Arbeitsverhältnisse nur außerordentlich mit sozialer Auslauffrist gekündigt werden können.
Das BAG hat klargestellt, dass in derartigen Fällen andere Voraussetzungen gelten als bei ordentlich kündbaren Arbeitnehmern. Zunächst führt das BAG aus, dass tarifvertraglich geschuldete Zuschüsse zum Krankengeld bei der Ermittlung der Entgeltfortzahlungskosten nicht berücksichtigt werden dürfen. Weiter stellt das BAG klar, dass für die Frage, ob ein wichtiger Grund zur außerordentlichen krankheitsbedingten Kündigung vorliegt, ein erheblich strengerer Maßstab als bei der ordentlichen Kündigung anzulegen ist. Das BAG führt aus, dass es für das Vorliegen von wirtschaftlichen Belastungen als Betriebsablaufstörungen nicht ausreicht, dass ein erhebliches Missverhältnis zwischen geleisteter Vergütung und Arbeitszeit vorliegt, sondern ein gravierendes Missverhältnis vorliegen muss. Für den Fall, dass der Sonderkündigungsschutz des Arbeitnehmers sich lediglich an den Kriterien Betriebszugehörigkeit und Lebensalter festmacht, ist es nach Ansicht des BAG hierfür ausreichend – allerdings auch erforderlich – wenn der Arbeitgeber während des Referenzzeitraums 1/3 der jährlichen Arbeitstage (oder länger) Entgeltfortzahlung leistet.

Im Ergebnis ist damit festzustellen, dass eine krankheitsbedingte Kündigung eines Arbeitnehmers, der nur außerordentlich gekündigt werden kann, nur bei einem gravierenden Missverhältnis zwischen Entgeltzahlung und Arbeitsleistung möglich ist. Der von der Instanzrechtsprechung teilweise vertretenen Ansicht, dass dies erst möglich ist, wenn das Arbeitsverhältnis „schlechthin sinnentleert“ ist erteilt das BAG damit eine Absage.

Arbeitnehmern oder Arbeitgebern, die mit krankheitsbedingten Kündigungen befasst sind, ist aufgrund der dargestellten, komplexen Rechtslage anzuraten, sich qualifiziert arbeitsrechtlich beraten zu lassen.

Thomas Wöhrle
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht