Erhält ein Arbeitnehmer, auf dessen Arbeitsverhältnis aufgrund einer Beschäftigungsdauer von mehr als 6 Monaten und einer Beschäftigtenzahl im Arbeitgeberbetrieb von mehr als zehn Arbeitnehmern das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) anwendbar ist, eine betriebsbedingte Kündigung, kann dieser hiergegen im Wege der Kündigungsschutzklage vorgehen. Der Arbeitgeber muss im Kündigungsschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht den betriebsbedingten Grund, der die Kündigung sozial rechtfertigen soll, darlegen und beweisen.

Vor dem Hintergrund der seit Jahresbeginn andauernden Covid-19-Pandemie und der Tatsache, dass in einer Vielzahl von Betrieben Kurzarbeit angeordnet ist, wird die in der Zeit vor der Kündigung angeordnete Kurzarbeit im Kündigungsschutzprozess vor den Arbeitsgerichten regelmäßig thematisiert. Zunächst ist dann zu prüfen, ob sich hieraus eine Selbstbindung des Arbeitgebers, auf den Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen zu verzichten, ergibt. Hier ist dahingehend zu differenzieren, auf welcher Rechtsgrundlage die Kurzarbeit angeordnet worden ist. Erfolgte dies im Wege einer Individualvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, wird der Ausspruch von betriebsbedingten Kündigungen während der Dauer der angeordneten Kurzarbeit im Regelfall nicht ausgeschlossen. Derartige Ausschlussregelungen finden sich allerdings teilweise dann, wenn eine Betriebsvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat die Rechtsgrundlage für die Einführung der Kurzarbeit darstellt. Sollte eine diesbezügliche Ausschlußregelung weder auf individual-, noch auf betriebsverfassungsrechtlicher Ebene bestehen, hindert eine angeordnete Kurzarbeit nicht den Ausspruch einer betriebsbedingten Arbeitsvertragskündigung grundsätzlich nicht.

Die Einführung von Kurzarbeit kann im Prozeß allerdings dennoch relevant werden. Zu thematisieren ist in diesem Fall zum einen die Frage, ob dann, wenn im Betrieb noch Kurzarbeit angeordnet ist, überhaupt von einem dauerhaften Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit ausgegangen werden kann. Zum anderen ist regelmäßig zu diskutieren, ob eine weitere Anordnung von Kurzarbeit nicht ein milderes Mittel zur Arbeitsvertragskündigung dargestellt hätte. Die rechtliche Würdigung der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer oder dem Betriebsrat zur Kurzarbeit getroffenen Vereinbarung kann – auch dann, wenn diese den Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen nicht explizit ausschließt – streitentscheidend sein. Es ist durchaus möglich, dass sich in der entsprechenden Vereinbarung Formulierungen finden, die auf eine Selbstbindung des Arbeitgebers und einen Vorrang der Ausweitung bereits angeordneter Kurzarbeit in Umfang oder zeitlicher Dauer im Verhältnis zur Kündigung schließen lassen. Auf Arbeitnehmerseite führt dies zu weiteren Ansatzpunkten, die soziale Rechtfertigung der Kündigung anzugreifen: Auf Arbeitgeberseite kann dies ein anderweitiges taktisches Vorgehen bedingen und eine Ausweitung der Darlegungslast im Prozess nach sich ziehen. Die Anordnung von Kurzarbeit kann nach alledem für den Arbeitgeber nicht lediglich ein Mittel zur Flexibilisierung bei pandemiebedingtem Auftragsrückgang darstellen, sondern im Falle des Ausspruchs von Kündigungen die Erfolgsaussichten beeinflussen. Arbeitnehmern und Arbeitgebern, die mit betriebsbedingten Kündigungen in Zeiten von Kurzarbeit konfrontiert sind, ist daher anzuraten, sich hierzu qualifiziert anwaltlich beraten zu lassen.

Thomas Wöhrle

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Arbeitsrecht