Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers, auf das wegen einer Beschäftigungsdauer von mehr als 6 Monaten und einer Beschäftigtenzahl im Arbeitgeberbetrieb von mehr als zehn Arbeitnehmern das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) Anwendung findet, bedarf grundsätzlich eines die Kündigung rechtfertigenden, sozialen Grundes. Der Arbeitnehmer kann gegen eine ausgesprochene Arbeitsvertragskündigung Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht erheben. Im Klageverfahren muss der Arbeitgeber sodann beweisen, dass ein verhaltens-, personen- oder betriebsbedingter Kündigungsgrund besteht.
Findet das KSchG auf das Arbeitsverhältnis keine Anwendung (weil der Arbeitnehmer weniger als 6 Monate beschäftigt ist oder im Arbeitgeberbetrieb nicht mehr als zehn Arbeitnehmer tätig sind), sind die Möglichkeiten des Vorgehens gegen eine Arbeitsvertragskündigung zunächst auf die Fälle des Sonderkündigungsschutzes z.B. als Schwerbehinderter oder Schwangere beschränkt. In Einzelfällen besteht aber die Möglichkeit, eine Kündigung im Kleinbetrieb mit dem Argument anzugreifen, dass diese wegen Verstoß gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB nichtig ist. Die Regelung des § 612a BGB normiert einen Fall der sittenwidrigen Kündigung. Eine Kündigung verstößt gegen § 612a BGB, wenn der Arbeitnehmer durch den Ausspruch der Kündigung dafür bestraft werden soll, dass er ihm zustehende Rechte ausübt.
Eines dieser dem Arbeitnehmer zustehenden Rechte ist das Recht, eine bestehende Arbeitsunfähigkeit anzuzeigen und den Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall geltend zu machen. Fallweise wird ohne weitere Differenzierung die Rechtsansicht vertreten, dass jede Kündigung, die in zeitlichem Zusammenhang mit der Anzeige einer Arbeitsunfähigkeit ausgesprochen wird, als Maßregelung im Sinne § 612a BGB zu betrachten ist – es sei denn, der Arbeitgeber kann einen betriebs- oder verhaltensbedingten Kündigungsgrund darlegen. In der Entscheidung vom 20.05.2021 hatte das Bundesarbeitsgericht (BAG) sich mit dieser Thematik zu befassen. Hintergrund der Entscheidung war der Fall, dass ein Arbeitgeber eine Arbeitsvertragskündigung ausgesprochen hat, weil er aufgrund häufiger Arbeitsunfähigkeiten des betreffenden Arbeitnehmers (neuerliche) Betriebsablaufstörungen befürchtet hat.
Das BAG hat differenziert zwischen der Frage, ob durch den Ausspruch der Kündigung das zulässige Fernbleiben von der Arbeit sanktioniert werden soll (in diesem Fall wäre die Kündigung als Maßregelung nichtig) oder ob die Krankmeldung lediglich den „äußeren Anlass für die Maßnahme bietet“. Nach dem BAG ist also nicht nur auf den zeitlichen Zusammenhang zwischen Krankmeldung und Kündigung abzustellen, sondern zu hinterfragen, was das wesentliche Motiv des Arbeitgebers für den Kündigungsausspruch war. Ging es dem Arbeitgeber nicht darum, den Arbeitnehmer wegen einer Krankmeldung abzustrafen, sondern um die Vermeidung der ungünstigen betrieblichen Auswirkungen wiederholter Arbeitsunfähigkeit, war die Krankmeldung nicht der tragende Beweggrund, sondern lediglich der „äußere Anlass“ für die Kündigung. Die Kündigung ist in diesem Fall nicht angreifbar.
Die Erfahrung zeigt, dass fehlerhafte Formulierungen im Zusammenhang mit dem Kündigungsausspruch im Klageverfahren nur schwer zu korrigieren sind und die Erfolgsaussichten einer Kündigungsschutzklage im Kleinbetrieb wesentlich beeinflussen. Arbeitnehmern und Arbeitgebern im Kleinbetrieb, die vom Ausspruch einer Kündigung wegen wiederholter Arbeitsunfähigkeit betroffen sind oder einen solchen Kündigungsausspruch andenken, ist daher wegen der komplexen Rechtslage anzuraten, sich anwaltlich beraten zu lassen.
Thomas Wöhrle
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht